So sieht (m)ein Tag in der ambulanten Kinderintensivpflege aus

So sieht (m)ein Tag in der ambulanten Kinderintensivpflege aus

Viele Leute fragen mich, was ambulante Kinderintensivpflege eigentlich ist, was man da so macht, wie denn mein Arbeitsalltag aussieht.

Ich konnte mir das Ganze früher auch nicht vorstellen. Hatte ich bis zum Jahr 2000, als es das Münchner Kindl beispielsweise bereits seit 9 Jahren bereits gab, noch nie davon gehört.

Um einmal Licht ins Dunkle zu bringen, hier mein Erfahrungsbericht eines typischen Tages in der ambulanten Kinderintensivpflege des Münchner Kindl.

Aufstehen, anziehen, fertig machen. Am Anfang des Tages beginnt mein Arbeitsalltag sicher wie der, der Meisten.

Ab ins Auto und los geht es zu meinem kleinen Patienten, bei dem ich heute geplant bin. Nicht nur für einen kurzen Moment! Nein! Ich werde heute, wie auch an allen anderen Tagen, meine volle Dienstzeit bei diesem einen pflegebedürftigen Kind arbeiten. Entweder zu Hause oder in der Kindergarten- oder in der Schulbegleitung.

Denn, auch wenn unsere kleinen Patienten intensivpflegebedürftig sind, tracheotomiert und/oder beatmet, sie alle unterliegen der Schulpflicht, freuen sich über den normalen Alltag eines Kindergarten- oder Schulkindes.

Bevor ich die Familie betrete heißt es für mich stets, meine eigenen Sorgen und Probleme vor der Tür stehen zu lassen.

Jetzt bin ich Kinderkrankenschwester, nicht mehr Privatperson. Nun braucht mich der kleine Patient und dessen Familie.

Start in den Pflegealltag

„Guten Morgen!“, strahle ich die Familie und meinen kleinen Sonnenschein an.

Sekunden reichen, um ein erstes Gefühl dafür zu bekommen, wo ich die Familie und das Kind gerade abholen muss.

Eine Übergabe durch die vorherige Kollegin/den Kollegen oder durch die Eltern, finden Dienste nicht bündig statt, und schon beginnt mein Pflegealltag.

Von Pflegedokumentation, „Chef sein“ und Kindheitserinnerungen

Die Pflegedokumentation beinhaltet alle wichtigen Infos, die ich für die Versorgung des Kindes brauche.

Würde ich das Kind nicht kennen, wäre ich theoretisch in der Lage, anhand der Pflegedokumentation einen guten Überblick zu erhalten, welche pflegerischen Maßnahmen heute stattfinden müssen. Theoretisch!

Im Kindl gibt es dieses „Reinschmeißen“ zum Glück nicht. Kein Dienst ohne adäquate Einarbeitung.

Spricht für Qualität, finde ich.

Ab jetzt bin ich der „Chef“ in meiner Tagesplanung – natürlich orientiert an der Pflegeplanung und den örtlichen Strukturen.

Und nein, Chef sein heißt nicht, dass ich nun alles tun und lassen kann und möchte, völlig losgelöst von den Wünschen der Familie und Vorgaben meines Arbeitgebers.

Im Gegenteil: „Chef sein“ heißt in dem Moment die Angehörigen, sofern sie es wünschen, in den Pflegealltag ihres Kindes einzubinden. Sie nicht zu belehren, sondern zu beraten. Ihnen Sicherheit zu vermitteln und Fragen zu beantworten.

Fachwissen – einfach unverzichtbar!

Es gibt Tage, die verfliegen wie in Sekunden. Die Pflege läuft nach Plan, das Kind ist entspannt, munter und fröhlich. Dann heißt es raus ins Leben.

Einkaufen, Bahn fahren, Gaststättenbesuch, Veranstaltungen oder Umzüge besuchen. Hauptsache, es tut dem kleinen Sonnenschein gut.

Und dann gibt es diese Tage, an denen einfach alles anders ist…

Ein Infekt bringt alles durcheinander, die Atmung, den Muskeltonus, den Tagesablauf, die Pflege.

Es sind die Tage an denen sich zeigt, wie wichtig und unverzichtbar ein fundiertes Fachwissen in der Intensivpflege von Kindern ist und wie wichtig es ist, regelmäßig Notfallschulungen zu besuchen und dort praktisch zu üben.

Denn nicht jeder Tag der kleinen Patienten ist gleich gut.

Eine Intensivstation auf Rädern

An Tagen, an denen es der gesundheitliche Zustand und Tagesrhythmus erlaubt, gehe ich mit meinen kleinen Patienten und ihrer kleinen fahrenden Intensivstation am Liebsten nach draußen.

Was ich dafür alles brauche? Einen Rollstuhl, Sauerstoffstroller, Beatmungsgerät, Ernährungspumpe, Medikamente, Wechselsachen, Dokumentation, Notfalltasche mit Notfallmedikamenten, Ambubeutel, Katheter, Absauggerät, Überwachungsgerät und natürlich den kleinen Sonnenschein.

Hört sich viel an? Ist es auch!

Ob es mich stört? Nein, der Aufwand lohnt sich, allein für unsere kleinen Patienten.

Ob Pasing Arcaden, Olympia Einkaufszentrum, BWM-Welt, Olympia Park, Marienplatz, Englischer Garten, Zoo, Blutenburg oder Botanischer Garten, mit meinen kleinen Patienten und ihren Familien habe ich schon zahlreiche schöne Ausflüge erlebt.

Selbst Karussellfahren in einem Kinderkarussell ist möglich, wenn der Betreiber engagiert mithilft.

Ob man dann das Rückwärtsfahren bei zwei Gratisfahrten ebenso liebt, wie der vorwärtsfahrende, kleine Patient, sei jedem selbst überlassen.

Ich würde sagen, Augen zu und durch!

Hauptsache das Kind hat Spaß!

In der BMW-Welt kann ich den Wickelraum sehr empfehlen. Er hat uns schon sehr gute Dienste geleistet und ist großräumig ausgestattet.

Im Sommer auf der Decke im Englischen Garten an der Eiswelle zu sitzen, hat auch etwas Besonderes, speziell für unsere jugendlichen Patienten.

Die heimische Umgebung mit cooler Musik am Rolli zu erkunden, macht den Kids immer sehr viel Spaß und mir übrigens auch. Da kommen schonmal ein paar Kilometer zusammen.

Der Pflegealltag – Facettenreich!

Manchmal gefällt es unseren kleinen Helden aber auch einfach mal unter einem Laubbaum zu liegen, die Blätter zu beobachten und den Wind zu fühlen.

Vieles ist in der Gestaltung des Pflegealltags in der ambulanten Kinderkrankenpflege möglich.

Was es stets bedarf ist das Vertrauen der Eltern, das entsprechende Fachwissen und ein verantwortungsvolles Handeln. Dann sei der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

Die kleinen Patienten sind oft unsere besten Lehrmeister

Eine kleine kecke Patientin die ich versorge, hat mir vor einiger Zeit einen Geduldsfaden gebastelt, diesen trage ich nun täglich bei mir. Bin ich bei ihr im Dienst, zeigen wir uns gegenseitig, ohne viele Worte, wie lang oder kurz er gerade ist. Da Zeitdruck nicht meine Stärke ist und ich dadurch manchmal etwas aus meiner Ruhe komme, hat sie sich ihre eigene Methode für mich ausgedacht, die mir und ihr hilft, auch in stressigen Situationen gelassener zu bleiben.

Diese kleine Patientin lehrt mich, noch feinfühliger und achtsamer mit Trachealkanülen und Beatmungsgerät sowie Inhalation und Absaugung umzugehen. Sie ist ein sehr intelligentes Kind und eine kleine Meisterin in Sachen Kinderintensivpflege, von der wir als Pflegefachkräfte noch so einiges lernen können.

Auch nach 40 Jahren Berufserfahrung merke ich oft, dass ich noch nicht ausgelernt habe und unsere kleinen Patienten oft unsere besten Lehrmeister sind.

Autorin

Ilona S., Kinderkrankenschwester bei der Mobilen Ambulanten Pflegepartner GmbH & Co. KG – Münchner Kindl